Zur Razzia in Werne gegen das „Königreich Deutschland“

Am gestrigen 13. Mai 2025 verbietet das Innenministerium die Organisation Königreich Deutschland (KRD). Dabei handelt es sich um eine Gruppe aus dem heterogenen Spektrum der sogenannten Reichsbürger:innen. Das KRD gilt innerhalb dieser Szene als der bekannteste Vertreter jener Strömung, die versucht, einen eigenen Fantasiestaat aufzubauen. Gründe für ihre Bekanntheit sind unter anderem die bizarre „Krönungszeremonie“ ihres Kopfs Peter Fitzek, ihre Vernetzung in der extremen Rechten, regelmäßige Rechtsstreitigkeiten und dubiose Finanzgeschäfte. Neben allgemeinen (extrem) rechten Positionen fallen das KRD und insbesondere Peter Fitzek auch besonders durch esoterische Bezüge, Kontakte zu Holocaustleugnern wie Nikolai Nerling und eine antisemitisch grundierte Weltsicht auf. Informationen und Einordnungen des KRD finden sich aktuell überall, im Folgenden soll es entsprechend um den lokalen Kontext gehen.

Kein kleiner Fisch

Im Rahmen der Razzien im Zusammenhang mit dem Verbot kam es auch zu einer Durchsuchung in NRW, genauer: in Werne. Betroffener war wohl Patrick Hyrynko, der erst vor etwas mehr als einem Jahr von Fröndenberg nach Werne gezogen ist. Hyrynko ist im Netzwerk des KRD kein Niemand. Eigenen Aussagen nach wird er 2019 für das „Königreich“ aktiv. Bekannt wird er schließlich im Jahr 2021 als Inhaber der Filiale der GK GemeinwohlKasse am Neumarkt in Menden. Dabei handelt es sich um die Pseudo-Bank des KRD, die mit diversen dubiosen Finanzprodukten aufwartet. Eine Kerntätigkeit von Fitzek und seinen Untertanen ist nämlich das Einsammeln finanzieller Mittel – vor allem bei den eigenen Anhänger:innen. Dafür nutzt man etwa eine eigene Währung, kostenpflichtige Seminare oder eine Art eigener Kranken- und Rentenversicherung für die „Staatsbürger“, die, um Mitglied zu werden, beispielsweise Einkünfte und Privatbesitz dem KRD überschreiben.

In diesem System ist Hyrynko ein wichtiger Posten. Bereits kurz nach der Eröffnung der Gemeinwohlkasse in Menden untersagt ihm die BaFin, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, den Betrieb. Es kommt zu einem Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt. Außerdem eröffnet zunächst die Staatsanwaltschaft Dortmund im Sommer 2021 ein Verfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche. 2022 macht Hyrynko noch Werbung für das KRD und dessen Angebote auf den „Spaziergängen“ von Querdenkern und AfD in Menden. Im Februar 2023 ist dann aber erstmal Schluss, weil die BaFin neben weiteren Filialen auch die Geschäftsräume im Sauerland schließen lässt.

Hyrynko, mittlerweile Mitte 30, ist aber nicht nur im Bereich der königlichen Finanzgeschäfte tätig. Unter dem Namen Deutsche Beratung bot er zeitweise eine „ganzheitliche Beratung“ zu allen Lebenslagen an – (mentale) Gesundheit, Finanzen oder Familie. Ein leicht durchschaubarer Versuch, Menschen mit realen Problemen in die Abhängigkeit des KRD zu ziehen. Das „Königreich“ führt ihn zudem auch als Vortragsredner für „Einführungsveranstaltungen über den Gemeinwohlstaat“. Dort gibt er auch einen kleinen Einblick in sein verschwörungsideologisches Weltbild. Regelmäßig veranstaltete das KRD in den vergangenen Jahren im Sauerland Schulungen für „Einsteiger:innen“, die in lokalen Querdenken-Chats beworben wurden. Es liegt nahe, das Hyrynko auch an diesen Formaten beteiligt war. 

Das KRD ist konzentrisch aufgebaut. Ausgehend von dem engsten Kreis um Fitzek in Sachsen-Anhalt haben sich in den vergangenen Jahren in allen Teilen der Bundesrepublik Satelliten wie Hyrynko etabliert, die in erster Linie in ihren Regionen neue Mitglieder und finanzielle Ressourcen heben sollen. So ist ein kleines Unternehmensgeflecht entstanden, in dem neben den „Finanzdienstleistungen“ auch Restaurants, Beratungen zur Elektroautarkie, IT-Dienstleistungen oder ein Fußmassage-Salon versammelt sind. Die sogenannten Sicherheitsbehörden haben Fitzek und seine „Untertanen“ jahrelang verharmlost und den politischen Gehalt des KRD relativiert. Dass diesem Geflecht durch das Verbot erst einmal die Grundlage entzogen wurde, ist mit Blick auf die nicht unbeträchtlichen Ressourcen ein erster Schritt. Zugleich braucht es nachwievor einen kritischen Blick auf das Reichsbürger:innen-Spektrum – die Aktiven des KRD werden andere Betätigungsfelder suchen und finden.

Bei uns in Werne?

Manch eine:r mag sich bei dem Polizeieinsatz an die Durchsuchungen beim RechtsRock-Neonazi Dennis L. im Jahr 2015 erinnert fühlen. Die gestrige Razzia ist aber auch nicht der erste Polizeieinsatz in Werne gegen Personen aus dem Reichsbürger:innen-Spektrum. 2017 etwa gab es eine Durchsuchung bei einem Szeneangehörigen, bei der u.a. Munition beschlagnahmt wurde. Der Betroffene dürfte der ehemalige Polizist Günter N. gewesen sein. Propagandamaterial von Reichsbürger:innen taucht auch weiterhin gelegentlich in Werne auf. Insbesondere während der Pandemie konnte die Szene bundesweit Interessierte anlocken und radikalisieren. Auch in lokalen Querdenken-Chats fanden sich Inhalte und Symbole von Reichsbürger:innen. Zudem verfügt die Szene mit dem Ableger des Vaterländischen Hilfsdienst (VHD) auch weiterhin über Strukturen im Kreis Unna.

Die Alternative für das Königreich Deutschland

Wie bereits erwähnt bestehen Kontakte des KRD in diverse Strukturen der extremen Rechten. Das gilt auch für die AfD. In einem Restaurant in Saalfeld-Wöhlsdorf, in dem Alice Weidel oder Björn Höcke bereits auftraten, wurde der Zutritt später nur noch „Staatsangehörigen“ des KRD gestattet. Dort fand dann auch ein Treffen zwischen KRD und Querdenkern statt. In Halsbrücke stimmten die AfD-Abgeordneten gegen den Kauf von Grundstücken, an denen das KRD Interesse hatte, durch die Kommune. Umgekehrt interviewte Fitzek zwei AfD-Politiker dazu und lobte an anderer Stelle die AfD. Im vergangenen Jahr schließlich kandidierte mit David Kreiselmeier ein Lehrer für die AfD zur Oberbürgermeister:innen-Wahl in Weißwasser (Sachsen), der laut Recherchen von MDR Investigativ beim Königreich Deutschland aktiv war. Kreiselmeier bestritt zwar die Mitgliedschaft, sein Name tauchte aber auf einer Mitgliederliste auf.

Grundsätzlich sind die Kontakte zwischen KRD und AfD wenig überraschend. Verschwörungserzählungen sind ein gemeinsames Element rechten Denkens unterschiedlicher Ausprägungen. AfD-Personal fiel und fällt immer wieder mit Bezügen zur Reichsbürger:innen-Szene und vor allem ins Querdenkenmilieu auf – und umgekehrt. Interessant sind diese Kontakte aber nicht zuletzt, weil Innenminister Dobrindt in der Erklärung zum KRD-Verbot markige Worte findet – ein Verbot der AfD, wie es zurzeit vielerorts gefordert wird, lehnte er jedoch rundheraus ab.

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