Rückblick Lünen

Wenn an einem Samstagnachmittag in der Lüner Innenstadt mehr Cops unterwegs sind als Tauben, liegt der Gedanke nahe, dass hier irgendwas im Busch ist. Dies war die Szenerie am vergangenen Samstag. Neonazis von Die Rechte hatten eine Kundgebung an der Persiluhr angekündigt, binnen kurzer Zeit organisierten Bürgerliche wie im November, als eine rechte Gruppe namens NRW Patrioten eine Kundgebung angemeldet hatte, einen Gegenprotest – der allerdings weit entfernt von den Neonazis angemeldet wurde. Auch Antifas mobilisierten zur Gegenaktivitäten.

Die Neonazis

Die hauptsächlich aus Dortmund angereisten Neonazis versammelten sich zu ihrer Kundgebung gegen 13:30 Uhr an der Persiluhr. Neben der üblichen Musik, wurden die üblichen Reden gehalten. Ungefähr 30-40 Neonazis um Brück und Co. hatten sich zusammengerottet, zu denen auch einige Lüner Rechte stießen. Große Außenwirkung erzielten sie wie üblich allerdings nicht. Im Gegensatz zu den meisten anderen ihrer Kundgebungen jedoch konnten sie diese weitestgehend ungestört abhalten. Grund dafür war die repressive Polizeitaktik.

Die Polizei

Während die Dortmunder Polizei bei Nazikundgebungen theoretisch angehalten ist, Protest in Sicht- und Hörweite zuzulassen (und das zumindest häufig auch tut), war die Devise am Samstag offenbar, alles, was irgendwie nach „links“ aussah, auf der anderen Seite der Lippe zu halten. Gruppen von Antifaschist*innen wurden im Innenstadtgebiet aufgehalten und teilweise sogar von Cops begleitet zurück zur bürgerlichen Kundgebung geschickt. Dazu hatte die Polizei ein Aufgebot herangekarrt, dass selbst Nazikundgebungen in Dortmund alle Ehre macht – zusätzlich begleitet durch eine große Anzahl Zivilpolizist*innen, die allergisch auf jede Bewegung von Antifaschist*innen reagierten. Auch einen Versuch, eine spontane Versammlung in der Nähe der Neonazis anzumelden, schmetterte die Polizei unter fadenscheinigen Begründungen ab. Die Abschottung des Geländes um die Persiluhr galt jedoch nicht für Neonazis, die mitunter bis zur bürgerlichen Kundgebung spazieren konnten. Dies mag allerdings auch damit zusammenhängen, dass einige Polizist*innen offenbar keine besonders gute Sensibilisierung in diesem Themenbereich erhalten haben. So war einigen Beamt*innen laut eigener Aussage nicht bekannt, dass Thor Steinar-Klamotten ein ziemlich sicherer Indikator für eine rechte Gesinnung sind. Die mangelnde Einsicht diesbezüglich lässt entweder auf bewusste Ignoranz oder ja vielleicht auf Kleidung derselben Marke im eigenen Schrank schließen.

Die Kundgebung

Ein weiterer Grund, warum Neonazis an diesem Tag weitestgehend ungestört in der Gegend stehen konnten, war das Verhalten der Teilnehmer*innen der bürgerlichen Kundgebung. Zwar halten wir es natürlich für begrüßenswert, dass sich auch Menschen gegen Nazis engagieren, die nicht aus dem linksradikalen Spektrum kommen, aber den Effekt von einer Kundgebung, die weder in Sicht- oder Hörweite zu den Neonazis stattfindet, noch auch nur den Versuch unternimmt, diese zu stören, möchten wir stark anzweifeln. Während im November noch ca. 700 Menschen an einer ähnlichen Kundgebung teilnahmen, waren diesmal nur ca. 200 (laut Ruhr Nachrichten ca. 400) Menschen zusammengekommen. Das Programm bestand aus gemeinsamem Lieder singen und ein paar Reden. Unter anderem war der Dortmunder Alibi-Aktivist Friedrich Stiller angereist, der mehr Engagement der Justiz gegen Nazis forderte und der als Musterbeispiel für die Haltung der Kundgebung gewertet werden kann, denn dort wurde von Frau Roß vom Lüner Bündnis gegen Rechts kurz vor der Auflösung nicht etwa empfohlen, die noch laufende Neonazi-Kundgebung zu stören oder wenigstens kritisch zu begleiten, sondern sich lieber an den Rat der Polizei zu halten und nach Hause zu gehen. Umso höher ist hingegen das Verhalten der wenigen Menschen zu bewerten, die sich dennoch auf den Weg in Richtung Persiluhr begaben.

Das Fazit

Ein Erfolg war die Kundgebung der Neonazis mit Sicherheit nicht, ein Reinfall wie im November allerdings definitiv auch nicht. Abzuwarten bleibt, ob die Nazis auch in Zukunft Lünen als Aufmarschort nutzen wollen oder ob sich die Fahrt angesichts des fehlenden Erfolgs für die rechten Pfosten nicht rentiert. Die Cops haben erfolgreich demonstriert, dass Erfolg heißt, dass der Nazi demonstriert. Dass der Tag für die Rechten keine totale Schlappe wurde, war zu großen Teilen der Verdienst der Beamt*innen, die sich an dieser Stelle einmal selbst auf die Schulter klopfen dürfen, als Wegbereiter für Rassist*innen und Neonazis auf dem Weg zu ihrer Spielwiese.
Da sich auf die Einsatzkräfte wie gewohnt nicht verlassen werden kann, muss die Lüner Zivilgesellschaft in die Bresche springen und Neonaziversammlungen zum verdienten Scheitern verhelfen. Während das Engagement dazu in den linken Teilen durchaus vorhanden ist, bleibt allerdings die Frage offen, warum es für große Teile des bürgerlichen Spektrums okay ist, sich mit Image-Veranstaltungen abseits des Geschehens zu begnügen. Die vom Lüner Bürgermeister Kleine-Frauns im Vorfeld postulierte „[n]azifreie Zone“ Lünen wird so wohl erstmal nur Wunschdenken bleiben. Wir bedanken uns bei allen, die dennoch am Samstag mit uns versucht haben, den Neonazis in Lünen in die Suppe zu spucken – egal ob Bürgerliche oder Linke.

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