Nachtrag: Rückblick auf die Bürger*inneninfo

Am 3. Dezember fand in Werne die zweite Bürger*inneninformation zum Thema Asyl in Werne statt. Während sich die erste Veranstaltung in Stockum auf die Notunterkunft dort konzentrierte, versuchte die Stadt am Donnerstag einen breiteren Überblick zu geben. Wie der Abend verlaufen würde, war vorher kaum abzuschätzen. In Stockum lief die Veranstaltung eher schlecht, da viele „Warum denn ausgerechnet bei uns?!“-Bürger*innen die Diskussion prägten. Außerdem hatte die Stadt die „Besorgten“ in ihrem Glauben, „von oben verarscht zu werden“, zusätzlich bestärkt, indem Landrat und Bürgermeister sich als Opfer des Landes stilisierten. Anwohner*innen der Schillerstraße hatten sich kurz vor der Informationsveranstaltung im Dezember über eine kommende Unterkunft in ihrer Straße echauffiert. Entsprechend gespannt waren auch wir, wie dieser Abend verlaufen würde.

Das Programm

Die Veranstaltung im Kolpinghaus – also im Zentrum der Stadt statt in entfernteren Stadtteilen – war dann überraschend gering besucht. Laut Ruhr Nachrichten kamen rund 120 Menschen. Das Programm war dem in Stockum sehr ähnlich. Zunächst leitete Bürgermeister Christ die Veranstaltung ein, er stellte eine Studie vor, die ergeben hatte, dass Jugendliche in Deutschland der Bewältigung der Aufgaben bezüglich der Unterbringung von Geflüchteten optimistisch gegenüber stünden. Christ sagte, er teile diesen Optimismus – auch wenn es schwer würde. Andererseits sieht er die „ehren- und hauptamtlichen Helfer an ihren Grenzen“. Die jüngsten Asylverschärfungen würden helfen: „Aber wie lange?“.
Es folgte ein Herr Adam vom Kreis Unna. Adam skizzierte das Asylverfahren. Die bekannten Fakten unterfütterte er mit einigen eigenen Kommentaren – so forderte er zum Beispiel Syrer*innen nur den subsidiären Schutz zu gewähren. Das bedeutet, dass diese in Zukunft nicht mehr ihre Familien nachholen könnten. Eine zynische Bemerkung angesichts der Tatsache, dass diese ebenso im Krieg leben.
Den dritten Part übernahm Herr Gründken von der Stadt Werne. Er machte unter anderem auf den wichtigen Unterschied zwischen „Alleinstehenden“ und „Alleinreisenden“ aufmerksam, der vielen besorgten Bürger*innen gerne mal entgeht. Ihm folgte Frau Kappen, ebenfalls Stadt Werne, die einige Fakten zur Integration von Geflüchteten erzählte. Der vorletzte Beitrag kam von Herrn Steiger von der Arbeitsgemeinschaft Flüchtlinge (AGF), die in Werne den Großteil der ehrenamtlichen Tätigkeiten zur Unterstützung von Geflüchteten koordiniert. Neben einem kleinen Überblick über die Aufgaben der AGF und dem Appell, gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft Geflüchtete zu unterstützen, äußerte er auch Kritik an der Stadtverwaltung, mit der die Zusammenarbeit nicht immer ganz reibungslos funktioniere. Den Abschluss bildete die Polizei, die mit einigen Zahlen festhielt, dass Geflüchtete im Kreis Unna nicht krimineller seien als Deutsche und die Kriminalität auch nicht durch sie angestiegen sei.

Die Diskussion

Anschließend durften die Anwesenden Fragen stellen. Hier zeigte sich, dass die Zusammensetzung des Publikums grundlegend anders aussah als in Stockum. Es dominierten Fragen bezüglich der Unterstützung von Geflüchteten. Mitglieder der AGF stellten Fragen an die Stadt und äußerten Kritik, forderten zum Beispiel eine Beteiligung an Druckkosten für Informationsflyer für die Unterkünfte oder größere Bemühungen bei der Vermittlung von Praktika. Eine weitere Person empfahl den Anwesenden, freie Zimmer an Geflüchtete zu vergeben. Er selbst habe dies getan und bereue es nicht. Eine CDU-Abgeordnete nutzte wohl aus Unwissenheit durchgehend den diffamierenden Begriff „Asylanten“ – sie blieb überraschenderweise die einzige an diesem Abend. Daneben gab es einige wenige, betont neutral gehaltene Beschwerden über Müll oder Lärm in der Nähe einer Unterkunft oder Nachfragen über die Qualifikation von Geflüchteten.
Eine „Anwohnerin“ war an diesem Abend die einzige, die sich klar ablehnend äußerte. Sie begann ihren Beitrag damit, dass sie Angst habe. „Auf einmal“ wohnen 20 fremde Männer nebenan. Sie habe Angst um ihre Kinder, hätte die Rollos unten und beschwerte sich über mangelnde Information („Normale neue Nachbarn stellen sich ja wenigstens vor“). Hauptsächlich jammerte sie, dass nebenan „nur Männer“ eingezogen seien – „Warum denn nur Männer?“. Ein Mensch fügte hinzu, sie sei nicht die einzige, die Angst habe. Hauptsächlich erntete die „Anwohnerin“ allerdings Unmut über ihre Äußerungen. Sie wurde unter anderem gefragt, ob sie denn schon einmal mit den neuen Nachbarn geredet hätte (auch Hilfe bei einem solchen Gespräch wurde angeboten) – eine Antwort blieb sie aber schuldig. Auch hier wurde der Unterschied zu der ersten Veranstaltung deutlich, wo die vorgeschobenen Ängste begeistert beklatscht worden waren und positive Beiträge eher in der Unterzahl geblieben waren.

Das Fazit

Der zweite Informationsabend ist definitiv besser gelaufen als der erste. Der Mob ist zu Hause geblieben. Das Podium reagierte souveräner und ließ sich nicht vor sich hertreiben. Geflüchtetensolidarische Menschen meldeten sich häufiger zu Wort und kommentierten ablehnende Beiträge ruhig, aber entschlossen. Anwohner*innen der Schillerstraße zogen ohne Theater wieder ab. Dennoch bleibt die Frage, ob eine weitere Veranstaltung in Stockum ähnlich sachlich ablaufen wird. Außerdem muss einigen Kommentaren von Herrn Adam eine klare Absage erteilt werden. Entsprechend enden wir mit: refugees are welcome here – bring your families!

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