Gedenkkundgebung am 9.11. in Werne

Vor 78 Jahren brachen im gesamten Deutschen Reich (und teilweise darüber hinaus) die sogenannten Novemberpogrome aus, die ihren Schwerpunkt vor allem in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 hatten. In unzähligen Städten zerstörten Nazis gemeinsam mit den „ganz normalen Bürger*innen“ Synagogen, plünderten jüdische Geschäfte und jagten Jüd*innen oder solche, die sie dafür hielten. Die Pogrome zeigten den Nazis nicht nur, dass große Teile der Bevölkerung ihren Antisemitismus teilten und diesem bereitwillig Taten folgen ließen, sondern können auch als einer der wichtigsten Schritte auf dem Weg zur gezielten Vernichtung von schätzungsweise 6 Millionen Jüd*innen, dem Holocaust, gesehen werden.
Auch im kleinen Werne gingen Nazis und Bürger*innen-Mob auf jüdische Menschen los, zerstörten ihre Geschäfte und die örtliche Synagoge. Auch im kleinen Werne verlief eine Aufarbeitung dieser Taten nach der Niederlage im Zweiten Weltkrieg nur zögerlich. Und auch im kleinen Werne zeichnet sich – wie auch im Rest des Landes der Täter*innen – ab, dass zu viele Menschen der Meinung sind, mit der Vergangenheit habe mensch sich nun lange genug ’rumgeschlagen. Während hier Menschen antisemitische Hetzbotschaften verteilen und den Holocaust leugnen, schlagen sie anderswo Jüd*innen zusammen oder fordern, mit dem angeblichen „Schuldkult“ zu brechen. Die Leute, die gestern noch gesagt haben, es müsse auch mal Schluss sein mit dem ständigen Erinnern, sowas könne ja nie wieder passieren, sind heute auf den Straßen und ziehen mit Fackeln vor die Unterkünfte von Geflüchteten oder schänden jüdische Gräber. Was früher zwar da, aber tabuisiert war, sprechen sie nun wieder (am liebsten im sozialen Netzwerk) offen aus: den Wunsch, endlich wieder Täter*innen zu sein, endlich wieder wie die Großeltern zu sein, endlich wieder Volksgemeinschaft zu sein.
Wir rufen daher zur Beteiligung an der jährlichen Gedenkveranstaltung in Werne auf, um die Erinnerung an die Verbrechen der Deutschen nicht verblassen zu lassen. Wir sagen aber auch, dass Erinnern mehr bedeutet. Die Antisemit*innen, die Rassist*innen, die Nationalist*innen von heute sind genau wie damals keine abstrakte Masse an irgendeinem entfernten Ort. Sie sind Familienangehörige, Mitschüler*innen, Bekannte, Lehrer*innen, Nachbar*innen, Kolleg*innen – und das Repertoire an Möglichkeiten, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, ist groß.

Die städtische Gedenkveranstaltung am Mittwoch, dem 9. November, beginnt um 16:45 Uhr in der Marktgasse am ehemaligen Standort der Synagoge.

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