„Wölf*innen im Schafspelz“: Analyse der Inszenierung der AfD in Lünen

Die AfD im Kreis Unna hat ein Problem. Der Dauerstreit im Kreisverband schwächt zum einen die internen Strukturen, zum anderen sind die ständigen Ausfälle nach rechtsaußen ein Problem für den Teil, der nicht unbedingt in einem Atemzug mit dem völkischen Flügel genannt werden möchte. Beliebtes Werkzeug ist daher im Wahlkampf, sich entweder verbal von Flügel und Co. zu distanzieren oder einfach zu behaupten, das hätte mit einer*einem selbst ja nichts zu tun. Ersteres ist vor allem die Linie der Fraktion in Schwerte um Sebastian Rühling. Diese haben auch kaum eine andere Wahl: Die Behauptung, der Disput mit dem Flügel interessiere einen nicht, scheitert schon allein an der Präsenz von Hans-Otto und Brigitte Dinse sowie dem Spitzenkandidat Stefan Fiene, allesamt ausgewiesene Höcke-Fans. Den zweiten Umgang pflegen offenbar vor allem die Vertreter*innen in Lünen. Um Schaden abzuwenden, bemüht man sich um eine Nicht-Thematisierung von rechten Inhalten. Wir wollen im Folgenden vor allem diese Inszenierung anhand eines Beitrags in den Ruhr Nachrichten vom 3. September veranschaulichen.

In dem Artikel kommen drei Vertreter*innen und Kandidat*innen der AfD in Lünen zu Wort: Constanze Pasternak, Friederike Hagelstein und Peter Herbertz. Schon die Auswahl dieser drei ist kein Zufall. Mit Peter Herbertz präsentieren sie eine Alternative zu Peter Pasternak. Letzterer hatte die verschwörungsideologischen Anti-Schutzmaßnahmen-Kundgebungen in Lünen organisiert, an denen wiederholt Flügel-Aktivist*innen und auch Neonazis teilnahmen. Auf diesen Kundgebungen wurde immer wieder auch gegen die Presse ausgeteilt. Pasternak wäre also keine gute Wahl gewesen, um sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Er fehlt generell auffällig häufig, wenn es um die AfD in Lünen geht. So auch auf einem gemeinsamen Foto.
Mit den typischen Parolen kommt man zwar an der eigenen Basis gut an, aber in der Öffentlichkeit und gerade unter jungen Menschen stößt man eher auf Ablehnung. Was hingegen besser ankommt, ist das Thema Umwelt- und Klimaschutz. Die AfD in Lünen scheint sich dann auch getreu dem Motto „Von der Klimabewegung lernen, heißt Siegen lernen“ einiges abgeschaut zu haben: Mit Constanze Pasternak und Friederike Hagelstein präsentiert sie zwei junge Frauen, während die Spitzenkandidat*innen der AfD in Kamen, Schwerte und Lünen tatsächlich zum Großteil ältere, weiße Männer sind. Die beiden reden dann auch eher über Umweltschutz und nicht über Reizthemen wie Migration. Die ganze Inszenierung und die Wahl der Themen machen deutlich, dass hier tunlichst versucht wird, für die Öffentlichkeit und gerade junge Menschen attraktiv zu erscheinen. Und bloß nicht zu viel Angriffsfläche zu bieten.
Wichtig ist hierbei, zu beachten, dass die beiden jungen AfDlerinnen nicht entpolitisiert werden, wie es oft geschieht, wenn über Frauen in der rechten Szene gesprochen wird. Es ist nicht davon auszugehen, dass hier einfach nur „unschuldige“ Frauen für die Inszenierung als junge und harmlose Partei von anderen (Männern) nach vorne geschoben werden. Stattdessen muss angenommen werden, dass sie sich selbst bewusst zum Teil dieser Strategie machen, bewusst über die Themen reden, über die sie reden, so wie sie sich bewusst dazu entschieden haben, in dieser (teilweise extrem) rechten Partei Mitglied zu werden. Sie teilen offensichtlich den rassistischen, nationalistischen Grundkonsens.

Die Ruhr Nachrichten bemühen sich an mehreren Stellen redlich, die Lücken in diesem Narrativ der AfD in Lünen aufzuzeigen. So benennen sie Höcke eindeutig als Faschist und weisen zutreffend etwa auf den Widerspruch hin, für Umweltschutz zu sein, aber in der Partei aktiv zu werden, die das parlamentarische Rückgrat der Klimawandelleugner*innen darstellt. Antworten blieben die drei Rechten offenbar schuldig. Wir würden noch einen Schritt weitergehen. Uns kann Constanze Pasternak nicht weißmachen, dass sie in die AfD eingetreten ist, um mehr Obstbäume zu pflanzen. Dann hätte sie genauso gut Greenpeace, einer anderen NGO oder den Grünen beitreten können. Was sie stattdessen den Sommer über gemacht hat, war, sich an den erwähnten Demonstrationen ihres Vaters zu beteiligen, auf denen gegen die Presse und Schutzmaßnahmen gewettert und Verschwörungsideologien verbreitet wurden.

Dass sich die AfD in Lünen nicht in den internen Streits positionieren will, zeigt, dass es dort viel für sie zu verlieren gibt. Immerhin hatte Hans-Otto Dinse die Gründung des Stadtverbands beworben. Immerhin waren die von zentralen AfD-Aktivist*innen in Lünen organisierten Coronademos eine Bühne für Flügel-Vertreter*innen wie Hans-Otto Dinse und Christian Blex. Die AfD in Lünen steht bereits auf einer Seite. Sie möchte aber nicht, dass das jede*r weiß. Lieber vermarktet sie sich als die netten Kandidat*innen von vor Ort, die doch nur Umweltschutz und mehr Demokratie wollen und die ganz sicher nur das im Sinn haben, was für Lünen das Beste sei.

Dieses Narrativ gilt es zu durchschauen, zu demaskieren und zu brechen. Die AfD ist als das zu benennen, was sie ist. Eine rechte Partei mit einem gut integrierten, faschistischen Flügel, die komplett(!) munter an der Normalisierung extrem rechter Positionen arbeitet – auch in Lünen.

 

Ergänzung:

Am Ende des Artikels wird erklärt, das Team der AfD in Lünen sei erst seit „kurz vor Weihnachten“ letzten Jahres intensiver vernetzt. Auch wenn es nicht explizit erwähnt wird, liegt doch nahe, dass auch die Pasternaks schon zu diesem Zeitpunkt mit von der Partie waren. Sollte das stimmen, wirft das noch einmal ein ganz anderes Licht auf die verschwörungsideologischen Kundgebungen in Lünen zwischen Mai und Juli. Sie wären dann von einem AfD-Mitglied initiiert worden und damit noch enger mit der Partei verknüpft als ohnehin schon bekannt.

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