Redebeitrag zu Aktivismus in der Pandemie (25.04.)

Am 25. April fand in Dortmund eine Kundgebung „gegen Corona-Leugnung, Verschwörungsideologien und Antisemitismus“ statt. Anlass war eine geplante Versammlung von Querdenken-Akteur*innen. Letztere wurde zwar verboten, erstere fand trotzdem statt, weil der Protest gegen Verschwörungsdenken und Co. damit nicht weniger wichtig ist und um auf Gruppen möglicherweise auftauchender Querdenker*innen reagieren zu können, die sich von dem Verbot nicht beeindrucken lassen. Versprengte Grüppchen um den Aktivisten Artur Helios trieben sich zwar in Dortmund herum, bekamen aber keine relevanten Aktionen auf die Kette. Auf der Protestkundgebung hielten auch wir einen kleinen Redebeitrag, der sich mit den Möglichkeiten politischen Aktivismus‘ unter Pandemiebedingungen beschäftigt. Der im folgenden dokumentierte Beitrag fasst in weiten Teilen unseren Text zum selben Thema aus dem März 2020 zusammen. Dieser ist auch Teil eines hörenswerten Features, das wir mit der Autonomen Antifa 170 aus Dortmund im Radio Nordpol veröffentlicht haben. Nun aber hier der Redebeitrag zum Nachlesen:

Die Coronapandemie stellt uns alle vor Herausforderungen. Und damit meinen wir nicht nur den täglichen Struggle von Schule, Job und Studium und die Einschnitte im sozialen Leben. Auch unsere politische Arbeit unterliegt seit über einem Jahr mal mehr mal weniger sinnvollen Beschränkungen. Als Linke, die im Gegensatz zu AfD und querdenkenden Lacktrinker*innen nicht einfach business as usual fahren können und wollen, womit wir Menschenleben auf’s Spiel setzen würden, tun wir gut daran, uns zu überlegen, wie wir politisch handlungsfähig bleiben. Den meisten von euch erzählen wir dabei auch wenig Neues, denn seit dem ersten Lockdown haben wir uns dazu sicherlich alle Gedanken gemacht.

Wer den Kontakt zur Außenwelt im größtmöglichen Umfang meiden möchte, sich aber trotzdem heute zur Kundgebung hier begeben hat, kann eine ganze Menge in den eigenen vier Wänden tun. Vortragsstreams und Sammlungen von Audiomitschnitten liefern Tonnen an Material, um sich selbst Wissen anzueignen und in kritischer Diskussion mit anderen zu bleiben – Wissen, das in Zukunft an andere weitergegeben werden kann. Das gleiche gilt für das heimische Bücherregal oder Textsammlungen im Internet.

Wer schon immer mal endlich, die im Briefkasten gefundenen Naziflyer der letzten Jahre ordnen, fotografieren und der lokalen Antifa zukommen lassen wollte, hat vielleicht jetzt zwischendurch ausreichend Zeit dafür. Von Recherche und Dokumentation mal abgesehen könnt ihr auch die Zeit nutzen, um Rechten im Internet in Kommentarspalten und Foren entgegenzutreten. Denkt dabei immer an euren digitalen Selbstschutz!

Ihr könnt Leute in eurem Umfeld unterstützen, die die Pandemie auch weiterhin vor große Probleme stellt; die vielleicht ihre Einkäufe nicht selbst erledigen können oder die Gefahr laufen, zu vereinsamen. Ihr könnt Geld an Projekte spenden, die darauf angewiesen sind. Das betrifft insbesondere linke Räume – hier in Dortmund etwa den Nordpol.

Aber auch der klassische Straßenaktivismus ist nicht Geschichte. Demonstrationen sind, solange sich an notwendige Schutzmaßnahmen gehalten wird, eine recht ungefährliche Angelegenheit. Wem Menschenmengen trotzdem nicht geheuer sind – auch das ist legitim! – kann auch allein oder zu zweit aktiv werden. Über das letzte Jahr konnten wir Unmengen an unfassbar kreativen Aktionen bewundern, die sich mit ein wenig Köpfchen umsetzen ließen. Von gephotoshoppten Solifotos, spektakulären Bannerdrops und so weiter und so fort. Lasst euch von den Ideen anderer inspirieren, passt sie auf eure Vorstellungen an und legt los!

Manchmal lohnt auch ein Blick zurück. Ihr könnt z.B. ganz oldschool mal eure lokalen Abgeordneten per Mail dafür zur Sau machen – natürlich alles ganz freundlich – dass sie etwa Ausgangssperren verhängt haben, anstatt die Freigabe von Patenten voranzutreiben.

Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, scheinen überwältigend. Und das Gefühl, das Protest nie so wichtig war wie jetzt, können wir nachvollziehen. Autoritäre Versammlungsgesetze und Überwachungsmaßnahmen, Rechte in Sicherheitsbehörden, verschwörungsideologische und antisemitische Bewegungen, die vergessenen Menschen an den Außengrenzen der Festung Europa, die Kämpfe gegen beschissene Arbeitsbedingungen etwa in der Fleischindustrie, der Pflege und auf den Spargelfeldern, Mietkämpfe, die kommenden Kämpfe um die Verteilung der Pandemielasten – und ganz nebenbei noch die ungebremst durchmarschierende Klimakrise. Es gab schon bessere Zeiten, um den Kopf in den Sand zu stecken. Bei all dem Mist, dürfen wir nie vergessen, dass die Zukunft immer noch ungeschrieben ist. Also packen wir’s an. Gemeinsam.

Grüße in die Großstadt!

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